Bhagavad Gita (200 n. Chr.)
Bhagavad Gita bedeutet übersetzt „Der Gesang des Erhabenen“ und ist eine Episode des Mahabharata, das mit seinen 90.000 Versen das längste Epos der Weltliteratur ist. Die Gita, wie sie auch häufig genannt wird, stellt zugleich durch ihre zeitlose Gültigkeit ihrer Aussagen auch die philosophisch-spirituelle Essenz des Mahabharata dar. Die Gita ist im heutige Indien noch allseits präsent und viele Yogis und Weise berufen sich auf diesen Text und haben sie ihren Schülern empfohlen. Rein äußerlich handelt die Gita in ihrer Erzählung von einem „Krieg“ zweier Familien in Zeiten der Kuru-Dynastie um eine rechtmäßige Thronfolgen. Die Gita erzählt die Ereignisse kurz vor der entscheidenen „Schlacht“. Die Geschichte ist nur eine Ebene des Verstehens und ist voller Sinn und Symbolik, welche über den äußeren Handlungsrahmen hinaus pschologische und spirituelle Ebenen öffnet. Arjuna, der Herrführer der rechmäßigen Thronerben, fährt vor der Schlacht mit seinem Streitwagen zwischen die gegnerischen Reihen. Beim Anblick seiner Gegner, die aus Verwandte und ehemaligen Lehrern von ihm bestehen, befällt ihn Zweifel, ob dieser Krieg einen Sinn hat. Er beschließt nicht mehr zu kämpfen. Es kommt mit seinem Wagenlenker Krishna zu einem Zwiegespräch in dessen Folge sich Krishna Arjuna als allumfassende Gottheit offenbart. Diese Zwiegespräch zwischen den beiden macht den spirituellen und philosophischen gehalt der Gita aus. Die Verwandten und ehemaligen Lehrer stehen symbolisch für Glaubenssätze und Verhaltensmuster, die der weiteren spirituellen Entwicklung im Menschen im Wege stehen und es kommt zu einer inneren Auseinandersetzung, die in der Gita als Schlacht und der Offenbarung des göttlichen im Menschen handelt.
Eine von vielen Kernaussagen ist der dreifachen Pfad, der aus dem Jnana-Yoga (Yoga der Erkenntnis – IV,39), Karma-Yoga (Yoga des Handels – II,47) und Bhakti-Yoga (Yoga der Liebe und Hingabe – XII,13-14) besteht. Aus diesem dreifachen Pfad ist auch der Leidspruch der Purna Yoga Schule enstanden:
„Handle, in der Erkenntnis mit Liebe und Hingabe„.
Tantrismus (ab 500 n. Chr.)
Die Silbe tan bedeutet erweitern bzw. verwoben. Tantra stellt somit Methoden bereit zur Erweiterung des menschlichen Bewusstseins. In der westlichen Welt wird Tantra meist mit Sex, Ekstase und Luststeigerung in Verbindung gebracht, was so nicht stimmt. Tantra ist ein spiritueller lebensbejahender Weg, der das ganze Leben mit seinen vielfältigen Erscheinungen und Erfahrungsgsmöglichgkeiten annimmt. Tantra ist ein Weg, der danach strebt die Gegensätze mänlich/weiblich, Spirit/Materie, „Vater Himmel & Mutter Erde“, Sonne/Mond etc. auszugleichen. Deshalb gibt es auch körperliche Vereinigungen zwischen Mann und Frau. Diese dienen aber als Ausgleich der Polaritäten zur spiritueller Einheitserfahrung, um das göttliche in seiner Gesamtheit zu erfahren. Aber auch diese ist nur eine Möglichkeit von unzähligen und sie macht nur einen verschwinden geringen Bruchteil der spirituell-tantrischen Philosophie aus. Der wesentlich wichtigere Aspekt ist der oben erwähnte, dass das Leben und somit der Alltag viele Möglichkeiten bereithält sprituelle zu wachsen, wenn man diese Herausfordeung annimmt – dies verlangt Mut und Vertrauen. Tantra schließt asketische Praktiken zur Selbstdiziplinirung somit nicht aus. Viele Tantriker heben den in der Bhagavad Gita erwähnte Gedanke der „begierdelosen Aktivität“ (Karma-Yoga) hervor. Da Tantra, wie gesagt, ein lebensbejahender Weg ist, bezieht er auch den Körper mit in die Entwicklung ein. Der Körper wird als Temple gesehen, als ein „Werkzeug“ spirituelle Entwicklung im Leben. Dies der Unterschied zu allen spirituellen Lehren, die vor dem Tantrismus entstanden sind. Sie sahen den Körper als „Balast“ an, der Leid verursacht und den es durch Meditation zu überwinden galt. Da Tantra den Körper als ein Mittel zur Selbsterfahrung annahm, entstand im 9. Jhr. n. Chr. ein komplexer Übungsweg von Körperhaltungen, Reinigungsübungen, Atemtechinken, Energie-, Konzentrations-, Visualisierungs- und Stimmübungen, uns heute aus dem Hatha-Yoga und Kundalinie-Yoga bekannt sind. Wie in anderen Yoga-Lehren auch, versucht der Tantra mit Hilfe dieser Techniken das individuelle Bewusstsein vom Körper zu lösen um im Nirvana mit dem kosmischen, transzendeten Bewusstein aufzugehen.